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Die Naturfreunde Steiermark im Wandel der Zeit

Karl Hödl, ehemaliger Landesvorsitzender und Mitglied des Ehrenrats, im Gespräch mit dem Vorsitzenden der Naturfreunde Steiermark Dr. Jürgen Dumpelnik über Veränderungen im Freizeitverhalten und die daraus resultierenden Herausforderungen.

Fotos: Michael Domian, Foto Fröschl

 

 

Wie haben sich die Angebote der Naturfreunde im Lauf der Zeit entwickelt?

 

Hödl: Als ich 1975 ins Präsidium der Naturfreunde Steiermark kam, waren wir die stärkste Landesorganisation in Österreich. Damals hatten wir knapp 28.000 Mitglieder. Die Naturfreunde Steiermark haben nach dem Krieg vor allem durch ihre Urlaubsfahrten viele Mitglieder gewonnen. Dank der Naturfreunde konnten viele Menschen erstmals ins Ausland, etwa ans Meer reisen. Nicht nur die Landesorganisation, auch die Ortsgruppen hatten damals Reisen im Programm. Das war für die Menschen etwas ganz Besonderes. Mit den vielen verschiedenen Angeboten von heute, wie Mountainbiken oder Ähnliches, kann man das natürlich nicht vergleichen.

 

Dumpelnik: Die Naturfreunde Österreich wurden ursprünglich als ein Tourismusverein gegründet, dessen Ziel es war, weniger privilegierten Menschen billige Urlaube und Naturerlebnisse zu ermöglichen. Urlaub und Reisen sind für uns immer noch ein Thema, haben aber bei Weitem nicht mehr die Bedeutung wie früher. Was die Naturfreunde von heute auszeichnet, ist ihre ungeheure Bandbreite von Angeboten – von Tennis über Schifahren, Mountainbiken und Segeln bis hin zur Fotografie. Wir haben im Moment ca. 31.000 Mitglieder. Das reicht zwar nicht mehr für die Nummer eins, aber wir können darauf stolz sein, dass wir unsere Mitgliederzahl so konstant halten bzw. sogar leicht ausbauen konnten.

 

 

Was hat sich noch verändert?

 

Hödl: Die ganze Reisebranche hat sich stark verändert: Neben Reisebüros gibt es inzwischen zahllose Online-Plattformen, auf denen die Leute ihre Reise individuell buchen können. Sich in diesem Konkurrenzfeld weiter zu behaupten ist heute kaum noch möglich. Hinzu kommt, dass sich auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen stark verändert haben, insbesondere das Gewerberecht. Dadurch war es nicht mehr einfach so möglich, als gemeinnütziger Verein Reisen für unsere Mitglieder anzubieten.

 

Dumpelnik: Mit dem Zeitgeist hat sich auch die Organisation der Naturfreunde verändert. Das Freizeitverhalten der Menschen ist viel individueller und flexibler geworden. Die Bereitschaft, eine ehrenamtliche Funktion im Verein zu übernehmen, ist nicht mehr so selbstverständlich wie früher. Es hat einige Zeit gedauert, bis diese Effekte auch bei uns spürbar wurden; aber langsam beginnen sich diese Veränderungen in unserer Struktur niederzuschlagen. Mir ist es wichtig, dass wir bestehende Strukturen wie Ortsgruppen und Infrastruktur wie unsere Hütten nicht einfach aufgeben. In Zukunft bieten wir daher vonseiten der Landesorganisation Ortsgruppen ein Interimsmanagement an, bis eine geeignete Nachfolge für Ortsgruppenfunktionär*innen gefunden wird.

 

 

Welche Rolle spielen die Naturfreunde in unserer heutigen Gesellschaft?

 

Hödl: Die Grundwerte der Naturfreunde sind immer noch dieselben, nämlich Freude und Begeisterung für die Natur zu wecken und den Menschen Gemeinschaftserlebnisse zu ermöglichen. Dazu braucht es zeitgemäße Angebote. Sehr viele Leute kommen nur über Freunde zu bestimmten Dingen. Ich beispielsweise wäre ohne die Naturfreunde niemals auf die Idee gekommen, den Großglockner zu besteigen. Wenn das Angebot stimmt, macht man mit und wächst so langsam in die Organisation hinein. Das schafft vielfach eine Bindung, die oft jahrzehntelang hält.

 

Dumpelnik: Angesichts der multiplen Krisen, die wir im Moment erleben, denke ich auch, dass das Gemeinsame wieder verstärkt in den Vordergrund rücken wird. Die Zeit des grenzenlosen Individualismus ist vorbei. Werte wie Freundschaft, Miteinander und Zusammengehörigkeit haben vor allem bei den jungen Menschen an Bedeutung gewonnen. Natürlich braucht es das richtige Angebot, um die Leute mitzunehmen. Unsere intensive Auseinandersetzung mit aktuellen Themen wie Natur- und Klimaschutz, die Wegefreiheit im Wald oder Sicherheit am Berg zeigt die gesellschaftliche Relevanz der Naturfreunde.

 

 

Was müssen die Naturfreunde tun, um zukunftsfit zu sein?

 

Hödl: Es gibt einige Dinge, an denen wir arbeiten müssen. Ältere Mitglieder werden wir weiterhin mit Angeboten wie ein- oder mehrtägigen Reisen halten können. Wen man damit allerdings nicht mehr anspricht, ist die Gruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Die kann man derzeit nur über sportliche Betätigung erreichen. Bei den Kindern gelingt uns das mit unseren Schikursen oder Einrichtungen wie Kletterwänden noch sehr gut. Werden die Kids älter, verlieren wir sie für eine gewisse Zeit. Die Flexibilität der Mitglieder ist größer geworden, die Bindung hat nachgelassen. Dafür müssen wir Lösungen finden.

 

Dumpelnik: Die Naturfreunde Steiermark stehen auf einem soliden Fundament. Dies sollte uns aber nicht dazu verleiten, dass wir uns auf dem Erreichten ausruhen. Es ist unerlässlich, dass wir uns als Organisation weiterentwickeln. Damit meine ich nicht, blind jedem Trend nachzulaufen, sondern mit Bedacht und überlegten Schritten auch neue Wege zu gehen. Unsere große Stärke ist es, dass unsere Organisation so breit aufgestellt ist. Das erlaubt es uns, Dinge differenzierter zu beurteilen, abzuwägen und in einer Art Brückenbauer-Funktion zu agieren. Diese Breite sollten wir uns auch in Zukunft bewahren und sehr konsequent weiterentwickeln.

 

Mit vollem Elan für die Naturfreunde: Jürgen Dumpelnik und Karl Hödl
Karl Hödl, 1942 in Graz geboren, ist seit 2021 Mitglied des Ehrenrats der Naturfreunde Steiermark und war jahrzehntelang unermüdlich für die Naturfreunde im Einsatz: Er war Vorsitzender der Ortsgruppe Breitenau (19701979), Vorsitzender der Naturfreunde Steiermark (1993–2008) und stellvertretender Vorsitzender der Naturfreunde Österreich (1993–2008) und somit Stellvertreter von Dr. Heinz Fischer.
Weitere Informationen
Landeszeitung aus dem Jahr 1988: Das Angebot der Naturfreunde Steiermark bestand damals vor allem aus Gruppenreisen.
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